Offene Grüne Liste
Elvira Kuhnle-Chmielnicki
In Anbetracht dessen, dass drei Quartale von 2020 durch die Corona-Krise bestimmt waren, ist das Jahr finanziell für die Stadt nicht nur glimpflich, sondern geradezu positiv verlaufen, insbesondere natürlich wegen der Gewerbesteuer-Kompensationszahlung des Landes.
Je nachdem, ob das Jahr 2021 nur zwei oder doch vier „Corona-Quartale“ haben wird, werden wir entweder einen deutlich roten oder einen katastrophal roten Haushalt erleben. Jedoch gilt auch auf der kommunalen Ebene, dass die öffentlichen Haushalte in einer Krise nicht übertrieben in den Sparmodus schalten, sondern im Gegenteil antizyklisch handeln sollten. Das gilt insbesondere, wenn das Ende der Krise absehbar ist, wie in diesem Fall.
Wir müssen und können das Jahr 2021 finanziell verschmerzen. Es gibt deutliche Anzeichen, dass die Industrieproduktion nicht so stark leidet wie befürchtet, und sich die Gewerbesteuer absehbar wieder erholt. Die Verschuldung der Stadt Freiberg erscheint aktuell im grünen Bereich, wobei abschließende Aussagen ohne die vielfach angesprochene Eröffnungsbilanz natürlich nicht möglich sind.
Problematischer als für die Industrie wirkt sich die Krise im Kultur- und Dienstleistungssektor aus. Absehbar sind der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit, Insolvenzen Selbstständiger und familiäre Schwierigkeiten aller Art. Wie sehr dies die Stadt Freiberg verändern wird, ist noch nicht absehbar. In diesem Umfeld sind wir der Meinung, dass starke Einschnitte bei freiwilligen Leistungen aktuell nicht im Vordergrund stehen dürfen. Letztlich arbeiten wir alle für das Wohlbefinden der Bürger und diese Leistungen tragen wesentlich dazu bei.
Einsparungspotenzial im Haushalt sehen wir dagegen in den städtischen Ausgaben für Sachgüter und Bauten. Wir fordern die Verwaltung dazu auf, bei entsprechenden Vorschlägen an den Gemeinderat, sei es für den Kauf eines Nutzfahrzeugs oder den Bau eines Spielplatzes, immer auch eine günstigere Alternative vorzustellen und sich nicht nur wie bisher ihren Vorschlag „abnicken“ zu lassen. Nur so kann der Gemeinderat seiner Aufgabe der Abwägung nachkommen.
Der weltweite Klimawandel zeigt seine Folgen im besonderen Maße in Städten und Gemeinden. Unvorhersehbare Hochwasserereignisse und Überflutungen, Hitzeinseln in städtischen Quartieren, Stürme und Starkregen gefährden nicht nur Mensch und Gesundheit, sondern auch kommunale Infrastrukturen. Dürreperioden und extreme Trockenheit bedrohen Flora und Fauna und stellen die Land- und Forstwirtschaft vor ungewöhnliche Herausforderungen. Der einzige Weg aus der Klimakrise geht über eine CO2-ärmere Zukunft. Wir haben 2015 das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und stehen nun in der Pflicht der Umsetzung.
Die Frage ist, was können und müssen wir als Kommune tun? Auch in Zeiten unvorhersehbarer Pandemiekosten muss in den Kampf gegen die Klimakrise investiert werden. Tun wir das nicht, so werden wir und die nachfolgenden Generationen bitter darunter zu leiden haben. Die Pandemie zeigt uns bereits heute unsere Verwundbarkeit - die Klimakrise wird, wenn wir weiterhin zu wenig unternehmen, ungleich schlimmere Folgen haben.
Bäume filtern das Treibhausgas CO2 aus der Luft. Ein m3 Holz bindet eine Tonne CO2, deshalb müssen weltweit unzählige Bäume gepflanzt werden, auch in Freiberg, denn „wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ (Molière). Also nicht nur aus Sicherheitsgründen Bäume fällen, sondern aktiv viel mehr Bäume pflanzen, wenn nötig auch gegen Widerstände Einzelner.
Für Freiberg müssen stadtklimatisch relevante Faktoren viel mehr ins Bewusstsein gebracht, beachtet, geschützt und realisiert werden. Es geht im Wesentlichen um Kalt- und Frischluftentstehungsgebiete, dazugehörige Luftleitbahnen, regionale Grünzüge, Grünvernetzungen, Biotoptrittsteine und innerstädtische Grünflächen. Auch ein überzeugendes Regenwassermanagement hat positiven Einfluss auf die gesamte Bilanz. Selbst kleinste bauliche Eingriffe können zu Veränderungen führen, die nicht absehbar und auch durch lokale Untersuchungen nicht auszuschließen sind. Ich spreche hier auch von möglicher Bebauung entlang des Gründelbachs.
Der Sommer 2020 hat wieder Hitzerekordwerte erbracht, der Aufenthalt in der Stadt in den heißen Wochen wird zunehmend belastender. Das Stadtklima zu verbessern heißt auch immer, die Lebensqualität der Bevölkerung zu steigern. In der Vergangenheit hat man in Freiberg die Chance verpasst, klimagerecht zu bauen. Dadurch werden wir in Zukunft damit beschäftigt sein, aufzuräumen, was in den letzten 40 Jahren versäumt wurde.
Bau und Betrieb von Gebäuden verursachen in Deutschland ca. 40% des CO2-Ausstoßes und 52% unseres Müllaufkommens. Da die Regierung darauf nicht angemessen mit entsprechender Gesetzgebung reagiert, liegt es an den Kommunen, Vorreiterrollen einzunehmen. Freiberg muss mit guter Tat vorrangehen. Um es mit Hegel zu sagen: „Die Wahrheit der Absicht ist die Tat.“
Ein erster Schritt zur Tat, der uns sehr freut, könnten der Impulsvortrag des Vertreters der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen sein. Ich hoffe, dass wir die Erkenntnisse aus diesem Vortrag auch konkret umsetzen werden.
Die innerstädtische Überwärmung wird mitbeeinflusst durch Art und Position von Gebäuden und vom Rückstrahlvermögen von Dächern, Fassaden und befestigten Flächen.
Beton, der immer noch präferierte Baustoff, hat eine äußerst schlechten Ökobilanz - die Herstellung von nur einer Tonne Zement erzeugt 600 Kg CO2. Nicht auszurechnen, was der Neubau der OPS, der fast ausschließlich aus Beton besteht, an CO2 emittiert!
Zudem speichert Beton im Gegensatz zu Holz die Hitze in der Stadt. Immer noch werden in Freiberg auch bei Neubauten Dächer schwarz eingedeckt, Schottergärten geduldet, Höfe und Einfahrten bis an die Hauskante asphaltiert.
Abhilfe schaffen könnten wir auch durch die Belohnung einfacher Maßnahmen wie der Entsiegelung von unnötig versiegelten Flächen, sowie der Fassadenbegrünung. Wir brauchen für den gesamten städtischen Siedlungsraum, besonders aber bei der Neugestaltung des Zentrums, sowohl eine adaptive als auch eine Biodiversität fördernde Grünplanung.
Die pseudourbane Platzgestaltung des Bahnhofes lässt auch in dieser Hinsicht nur zu wünschen übrig. Eine adaptive Grünplanung, die den Folgen des Klimawandels Rechnung trägt und in heißen Sommern die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, auf Plätzen, Wegen, Straßen, Anlagen und Spielplätzen verbessert, ist unumgänglich.
Dazu gehören neben Bäumen, Sträuchern und Langgraswiesen mit Kräutern, auch wasserführende Objekte wie Brunnen, Trinkbrunnen, Wasserläufe und Fontänenanlagen.
Attraktionen und Erholungsmöglichkeiten vor Ort steigern die Lebensqualität und mindern das Verkehrsaufkommen. Wir brauchen dringend zumindest einen kleinen Abschnitt des Neckars als Aufenthalts-, Erlebnis- und Erholungsraum.
Benningen und Marbach haben als Gartenschauorte 2033 exzellente Voraussetzungen, andere Gemeinden von Plochingen bis Marbach partizipieren am Projekt „Grünzug Neckar“ - nur für Freiberg gibt es bislang noch keine erkennbare Offensive.
Wie im letzten Jahr plädiere ich für die Idee, das linksseitige Altneckarufer, nach der Autobahnbrücke, baulich so zu gestalten, dass der Fluss erlebbarer wird. Die südlichen Wiesenflächen böten dabei Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten und könnten evtl. als Schwemmland hergerichtet werden. Dafür müssen Verhandlungen mit den Naturschutzbehörden geführt werden.
Der Mensch schützt und achtet nur, was in seinem Bewusstsein ist und was er in seinem Lebens- und Erfahrungsraum wahrnimmt. Auch deshalb müssen der Neckar und Freiberg wieder zusammenfinden.
Mit der vierten Klärstufe der Kläranlage sind wir auf einem sehr guten Weg und können die Abwässer, die wir in den Neckar ableiten, nach neusten Standards reinigen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es aber absurd, dass nach Starkregen immer noch Plastikmüll und Toilettenpapier in den Bäumen am Neckar hängen, da die Überläufe der Regenüberlaufbecken direkt in den Neckar münden. Wer zu Zeiten unbelaubter Bäume am Altneckar spazieren geht, sieht in den Zweigen der Uferbepflanzung skurrile Fahnen flattern. Das ist der Müll, den wir Freiberger in den Neckar einleiten. Was nicht hängen bleibt, geht in sehr viel größeren Mengen dem Atlantik zu und kommt höchstwahrscheinlich über die Nahrungskette als Mikroplastik zu uns zurück.
Dieser Zustand ist unsäglich, absolut nicht zeitgemäß und bedarf einer schnellen Behebung.
Eine Folge der Corona Pandemie ist, dass der ländliche Raum und Kleinstädte gegenüber Großstädten an Attraktivität gewonnen haben.
Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt reduziert das Pendeln, erfordert aber neue Wohn- und Arbeitsformen. Die Kommunen müssen darauf reagieren.
Einerseits müssen die technischen Voraussetzungen für die fortschreitende Digitalisierung geschaffen werden, andererseits bedarf es der Schaffung von zusätzlichem Wohnraum,
Co-working Spaces und Raum für sich veränderndes Freizeitverhalten. Dies alles darf nur unter strenger Maßgabe der Pariser Klimaschutzziele umgesetzt werden.
Kurzfristig muss auf nachhaltiges Bauen und Betreiben von Gebäuden sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich umgestellt werden.
Zum Beispiel schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz längst vor, dass Rezyclate zu bevorzugen sind, jedoch hält sich die Stadt bei der Ausschreibung ihrer Projekte wohl nicht daran! Wir fordern dies seit Jahren.
Als Stadt haben wir die Hoheit über Bebauungspläne und müssen diese auch nutzen-
Konkret heißt das: Niedrig- oder Nullenergiebauweise, nachhaltige Baustoffe, Solarpflicht, biodiversitätsfördernde Bepflanzungen, Dachbegrünung, Zisternen und weiteres.
Da nun wohl gegen unser Votum eine Bebauung im Außenbereich beschlossen wird, fordern wir speziell auch für dieses Gebiet, dass sämtliche bekannte Faktoren für ökologisches, nachhaltiges Bauen beachtet werden.
Am nachhaltigsten ist es allerdings, gar nicht zu bauen, sondern vorhandene Kapazitäten zu nutzen. Der beachtliche Leerstand an Wohnungen in Freiberg hat sich über Jahre kaum verbessert. Wir sollten als Stadt dringend über ein Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung und Mietmodelle nach dem Beispiel der „Offensive Türöffner“ der Caritas befinden.
Bevor Naturflächen bebaut werden, muss innerstädtisch nachverdichtet werden. So eignen sich beispielsweise Garagenhöfe, Brachen und einstöckige Bauten für die Schaffung von Wohn- und Arbeitsräumen. So sind z.B. über Supermärkten Wohnungen, Büros, oder sogar Kindergärten denkbar.
Freiberg braucht ein grundlegend überarbeitetes, innovatives Verkehrskonzept.
Primäres Ziel muss die Verkehrsvermeidung sein. Wenn Infrastruktureinrichtungen in allen Ortsteilen dezentral zur Verfügung stehen, also das Prinzip der kurzen Wege greift, reduziert sich automatisch der Autoverkehr. Zudem muss die Erreichbarkeit des Stadtzentrums, der Schulen, der Supermärkte, des Bahnhofs, der Sportanlagen usw. über gesicherte, attraktive Wege, unter Umständen auch völlig neue Verbindungen, von allen Ortsteilen aus sicher zu Fuß, mit dem Rad oder anderen alternativen Bewegungsformen gewährleistet sein.
Im Klartext heißt dies, wir brauchen ein gut funktionierendes Ringbussystem gepaart mit einem attraktiven Angebot an sicheren Verkehrswegen für Fußgänger und Radfahrer. Dafür wird man Einbußen für Autofahrer hinnehmen müssen. Ohne ein Umdenken, d.h. der Infragestellung der unantastbaren Priorität des Autos, wird keine zukunftsfähige Stadt zu entwickeln sein.
Deshalb hoffen wir inständig, dass das Projekt Radweg Wernerstaße bestehen bleibt. Nur so kann der Einstieg in die Verkehrswende in Freiberg gelingen – wir sind spät genug dran!
Das Erscheinungsbild einer Stadt ändert sich stetig im Laufe der Geschichte.
Freiberg aber verliert in erschreckendem Maße an Identität zugunsten einer seelenlosen Bauherren-und Investorenarchitektur.
Profitdenken und eine als vorgeblich modern angesehene Architektursprache zerfurcht die gewachsene Stadt- bzw. Ortsteilstruktur unter dem Deckmantel der Innovation.
Zunehmend mehr Städte erkennen diese Entwicklung und versuchen den Missstand durch die Inanspruchnahme eines städtebaulichen Gestaltungsbeirats entgegen zu wirken.
In der Regel empfiehlt die Architektenkammer den Kommunen externe Fachleute, die sie bei der Stadtentwicklung unter anderen Blickwinkeln fördern und beraten.
Auch Freiberg bedarf der Unterstützung solcher Gremien um als lebens- und liebenswert in der Zukunft bestehen zu können.