Elvira Kuhnle-Chmielnicki, Offene Grüne Liste:
Ich erlaube mir, meine Worte mit einem Zitat aus meiner letztjährigen Rede zu beginnen:
„Der weltweite Klimawandel zeigt seine Folgen in besonderem Maße in Städten und Gemeinden. Unvorhersehbare Hochwasserereignisse und Überflutungen, Hitzeinseln in städtischen Quartieren, Stürme und Starkregen gefährden nicht nur Mensch und Gesundheit sondern auch kommunale Infrastrukturen. Dürreperioden und extreme Trockenheit bedrohen Flora und Fauna und stellen die Land- und Forstwirtschaft vor ungewöhnliche Herausforderungen. Der einzige Weg aus der Klimakrise geht über eine CO2 ärmere Zukunft.“
Mindestens 180 Todesopfer und geschätzte 30 Milliarden Euro Schäden hat die Flutkatastrophe Mitte Juli letzten Jahres im Ahrtal verursacht.
Das ist die bislang teuerste Naturkatastrophe in Deutschland. Finanziell werden solche Ereignisse über die Erhöhung von Steuern und Versicherungsbeiträgen kompensiert werden müssen.
Was muss noch alles passieren bevor wir, die wir Verantwortung tragen, endlich aufwachen und tätig werden. Klimaschutz darf keine freiwillige Leistung sein. Klimaschutz ist die vordringlichste Aufgabe unserer Zeit und wir als Kommune stehen hier in der Pflicht.
Da die Baubranche 40% des gesamten CO2 Ausstoßes emittiert und wir einige Vorhaben, wie die neue Mitte und die Grundschulen, umzusetzen beabsichtigen, müssen wir CO2 - Einsparungen und Klimaneutralität beim Bauen und Sanieren anstreben. Das für 2050 anvisierte Ziel der Klimaneutralität laut des Pariser Abkommens erweist sich als viel zu spät und Baden-Württemberg hat nachkorrigiert und will das Ziel 2040, in einzelnen Bereichen schon 2030 erreichen. Was ist hierbei eigentlich unser Ziel in Freiberg?
Keine Frage ist, dass wir für die Neugestaltung unseres Stadtzentrums einen überzeugenden städtebaulichen Entwurf brauchen. Die Umsetzung muss konsequent nach den neusten Erkenntnissen für nachhaltiges Bauen erfolgen.
Das bedeutet, dass schon bei der Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs die klima- und umweltrelevanten Faktoren klar definiert sein müssen. Wir appellieren deshalb dafür, von Anfang an, Berater der DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) hinzuzuziehen.
Bei der OPS waren die Entscheidungsträger noch nicht mutig genug, einen Holzbau auszuschreiben! Inzwischen ist Holz zum bevorzugten Baumaterial avanciert.
In Berlin entsteht gerade ein 98 Meter hohes Holzwohnhaus mit 28 Etagen, 150 Wohnungen und 18 000 qm Nutzfläche – so hoch wollen wir gar nicht hinaus – es zeigt jedoch, was heute technisch machbar ist.
Holz bindet CO2. In 1 m³ Holz ist eine Tonne CO2 gebunden, zum Vergleich: Bei 1 m² Mauerwand aus Beton entsteht 82 kg CO2, 1 m² Holzmassivwand bindet dagegen 88 kg CO2. Ich erspare mir, die gewaltige Betonmasse der OPS in CO2 - Emissionen darzustellen – schauen wir nach vorne und setzen ambitionierte Klimaziele bei unseren künftigen Baumaßnahmen um.
Bei den anstehenden Sanierungen der Grundschulen, sowie generell bei allen anderen Bauvorhaben, gelten, um den enormen Energie- und Ressourcenverbrauch zu reduzieren vorrangig demnach folgende Grundsätze:
Sanierung vor Abriss: Die Energiebilanz einer Sanierung ist unter Bewertung der grauen Energie verglichen mit einem Neubau deutlich günstiger.
Gesunde und klimapositive Materialien verbauen: Regionale und nachwachsende gesunde Materialien beeinflussen maßgeblich den Gesundheitszustand von Nutzern, Gebäuden und Umwelt.
Kreislaufgerechte Materialien einsetzen: Verwendetes Material muss zerstörungsfrei gelöst und wiederverwertet werden können.
Urbane Rohstoffe nutzen: Sollte ein Abbruch dennoch notwendig sein, müssen Rohstoffe systematisch erfasst und zurückgewonnen werden, denn unsre Primärrohstoffe sind endlich.
Biodiversen Lebensraum erhalten und schaffen: Zerstörungen durch versiegelte Flächen müssen gemindert werden zugunsten von verantwortungsvollem Planen von Naturräumen, die Regenwasserversickerung, Naherholung und Artenvielfalt begünstigen.
Um die Neue Mitte, unser Stadtzentrum, zukunftsfähig zu gestalten, im Sinne einer offenen Gesellschaft, müssen wir auf eine funktionierende, bürgerorientierte soziale Infrastruktur achten und nicht das Heft aus der Hand geben an profitorientierte Investoren.
Zur sozialen Infrastruktur gehören neben Einzelhandel, ärztlicher Versorgung und Gastronomie auch attraktive Angebote für alle Altersstufen der Gesellschaft.
Von Kinderbetreuungseinrichtungen, Sport- und Freizeitangeboten, kulturellen Einrichtungen wie Bibliotheken, Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen bis hin zu Jugend- und Seniorentreffs.
Bei den Wohnungen muss auf eine gute, sozialverträgliche Durchmischung geachtet werden, zB: Seniorengerechte Wohnangebote, Mehrgenerationen- und Inklusivprojekte sowie bezahlbarer Wohnraum für Familien.
Bei der Planung müssen wir ferner darauf achten, dass es genügend nicht kommerzielle Orte gibt, an denen soziales Leben stattfinden kann, insbesondere benötigen wir dringend ein Angebot für offene Jugendarbeit.
Bei der Gestaltung der grünen Infrastruktur, den Freiräumen, müssen wir den klimatischen Veränderungen Rechnung tragen, d.h. sehr viel Grün, großkronige Bäume und Lauben, Begrünung von Wänden und Mauern ergänzt durch Wasserläufe, Wasserspielflächen und (Trink-) Brunnen einplanen.
Von ganz essentieller Bedeutung für das neue Stadtzentrum ist die nachhaltige Tauglichkeit des zu erstellenden Verkehrskonzeptes. Die 3 Ortsteile müssen optimal an die Neue Mitte angebunden werden mit attraktiven Fuß- und Radwegen in Kombination mit einem gut getakteten Ringbusangebot.
Um den Verkehr aus dem Zentrum herauszuhalten wünschen wir, dass die Ausschreibung auch die Realisation einer Quartiersgarage vorsieht. Die freiwerdenden Verkehrsflächen können dann in Parks, Spielplätze, Biergärten oder anderen Grünzonen umgemünzt werden. Eine variable Quartiersgarage, die sich in Größe und Technik der sich verändernden Verkehrsentwicklung anpassen kann, jetzt mit genügend Lademöglichkeiten für Autos und Räder und in 20 Jahren vielleicht etwas ganz anderem.
Um die Lebensqualität unserer Bürger zu sichern und zu optimieren müssen wir, das hat auch die Pandemie uns gelehrt, attraktive Erholungs- und Freizeiträume vor Ort schaffen. Regionale Angebote zur Erholung und Freizeitgestaltung reduzieren Fahrwege, auch das ist aktiver Klimaschutz.
Der Robispielplatz z.B. ist jetzt schon jahrelang geschlossen, obwohl Neukonzeptionen in den Schubladen liegen.
Seit langem ist der Neckar eines meiner Lieblingsthemen. Gibt es für uns Freiberger einen Weg, den Neckar als Erholungs- und Erlebnisraum in unser Leben zu holen? Lasst uns Kontakt mit den Fachbehörden aufnehmen und Ideen finden, wie der Neckar als prägendes landschaftliches Element unter Beachtung des Naturschutzes wieder als Fluss unserer Stadt erlebt werden kann.
Klimaschutz ist Erhalt unserer Lebensbedingungen, Gewohnheiten und Ansprüche müssen hinterfragt werden. Bäume sind notwendig, auch wenn Laub oder Blüten weggekehrt werden müssen, Blumenrabatten sollten der Biodiversität dienen und nicht nur der Schönheit etc. Gebäude im städtischen Eigentum sollten nach Möglichkeit begrünt und mit Photovoltaik versehen werden.
Es gibt Förderprogramme des Landes wie: „Blühflächen und Diversitätspfade“ wo Gemeinden bei der Umsetzung von Maßnahmen zur biologischen Vielfalt Finanzmittel abrufen können.
Zum Thema „Wohnraum schaffen“ setzten wir klare Prioritäten. Wir wollen nicht Flächen auf der grünen Wiese entwickeln, solange im Bestand optimiert werden kann.
Unter Umständen müssen Bebauungspläne an heutige Erkenntnisse und Bedürfnisse angepasst werden.
Aufstockungen, Erweiterungen, Anbauten und andere Formen der Nachverdichtung sowie Mehrfachnutzungen und geteilte Arbeitsplätze sind Ideen hierfür.
Wieviel Garagenhöfe haben wir, die sinnvoller bebaut werden können?
Auch bei allen Maßnahmen zur Nachverdichtung müssen Grün- und Freiflächen mitgeplant werden, um die Lebensqualität zu erhalten, sodass im eignen Viertel Erholungsmöglichkeiten gegeben sind, auch unter den Auswirkungen der Klimaveränderung.
Wir wollen uns zum Schluss bei allen Mitarbeitenden der Stadt sehr herzlich bedanken – für die harte Arbeit, die vielen Überstunden und die Kreativität in den schweren Zeiten von Pandemie und knappen Kassen.
Offene Grüne Liste
Elvira Kuhnle-Chmielnicki