Die Freiberger FDP ist bisher weitgehend durch neoliberale Positionen und dem Versuch staatliche und kommunale Interventionen in Klimaschutz und Nachhaltigkeit möglichst auszubremsen, aufgefallen. Mit Verwunderung stellen wir nun fest, dass sich in den Wahlkampf zur Gemeinderatswahl 2024 ganz neue Töne mischen. So war in den Freiberger Nachrichten vom 5.4.2024 in einem sehr langatmigen Artikel der FDP Freiberg zu lesen:
"Wir können es sehr gut verstehen, wenn sich auch in Freiberg die Bürger darüber ärgern, dass z.B. für Migranten Geld da ist, für unsere Kinder aber nicht."
Diese eindeutig rechtspopulistische Einlassung ist ja nun gleich in mehrfacher Hinsicht falsch. Zuerst einmal muss man wissen, dass es sich bei den Geldern für Kita- und Kindergartenplätze zu einem großen Teil um Bundesmittel handelt. 500 Millionen Euro zahlt der Bund jährlich dem Land Baden-Württemberg für Kinderbetreuung. Dieser Betrag wird vom Land an die Kommunen weitergegeben. Die Elternbeiträge betragen maximal 20% der Kosten, wobei Freiberg am Neckar unter diesem Prozentsatz liegt. Die restlichen Kosten übernimmt dann die Kommune, wobei es sich bei der Bereitstellung von Kita- und Kindergartenplätzen um eine kommunale Pflichtaufgabe handelt, die keineswegs optional ist. Ob Kitas und Kindergärten gebührenfrei sein sollten – wie das in einigen Bundesländern der Fall ist – ist keine kommunalpolitische Frage, sondern muss der Landtag von Baden-Württemberg entscheiden. Die Freiberger Grünen setzen sich seit Jahren für eine differenziertere Sozialstaffelung der Gebühren ein.
Migranten sind Menschen, die in Deutschland leben und in einem anderen Staat geboren sind. Diese können durchaus die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen sowie in Deutschland arbeiten und Steuern bezahlen. Aufgrund des Fachkräftemangels wird in vielen Bereichen händeringend um ausländische Arbeitskräfte geworben. Das hat wohl die Freiberger FDP nicht so ganz verstanden. Gemeint sind wohl Geflüchtete, deren Unterbringung ebenfalls eine kommunale Pflichtaufgabe nach einem festen Verteilungsschlüssel ist. Aber auch hier stehen weitgehend Bundesmittel zur Verfügung, so zahlt der Bund 130 Millionen an das Land Baden-Württemberg zur Unterbringung von Geflüchteten.
Es ist also blanker Unsinn, dass für „unsere Kinder“ kein Geld da wäre und dies auch noch gegen die Kosten für Geflüchtete aufrechnen zu wollen. Durch den – falschen – Gebrauch des Begriffs „Migranten“ erhält die Formulierung „unsere Kinder“ allerdings noch einen rechtsnationalen, völkischen Charakter, da ja auch Migranten durchaus Kinder haben können.
Man muss sich Sorgen machen um die Freiberger FDP, die offensichtlich mit rechtsnationaler Hetze gegen Ausländer und Mitbürger mit Migrationshintergrund Punkte sammeln will. Wir glauben nicht, dass dies im Interesse aller Kandidierenden auf der Liste der FDP ist. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die neuen jungen Kräfte und Spitzenkandidaten in der Freiberger FDP für diesen Rechtsruck mitverantwortlich sind. Ein interner Klärungsprozess wäre hier angebracht.
Bemerkung: Die FDP hat in ihrem Artikel ausschließlich die männliche Form (Migranten, Bürger, etc.) verwendet. Wir haben dies beibehalten, auch wenn wir wissen, dass es auch Migrantinnen und Bürgerinnen gibt.
In den Freiberger Nachrichten vom 24. Januar hat die FDP Freiberg die Gründung eines Kompetenzteams zur Beratung in kommunalpolitischen Fachfragen angekündigt. Vorausgegangen war der mehr als peinliche und anschließend selbst eingeräumte Schnitzer, eine mögliche Autobahnüberdeckelung als Klimaschutzmaßnahme im Sinne einer CO2-Reduzierung darzustellen.
Auch wenn man annehmen möchte, dass dieser Fehler kaum zu überbieten ist, so hat wohl auch das neugegründete Kompetenzteam die FDP nicht vor der nächsten Fehleinschätzung bewahrt. „Mehr Bauland für Freiberger“ heißt es da, verbunden mit der Forderung, dass Baugrundstücke im Besitz der Stadt bevorzugt und verbilligt an Freiberger Familien vergeben werden sollen. „Freiberg first“ nennt die FDP dies, wobei man durchaus geteilter Meinung sein darf, ob diese Bezeichnung gelungen ist. Unstrittig ist allerding, dass dieser FDP-Vorschlag geltendem Recht widerspricht, da bereits im Mai 2013 der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat, dass sogenannte „Einheimischenmodelle“ bei der Vergabe von Baugrundstücken unzulässig sind. Eine ganze Reihe von Kommunen – auch in Deutschland – mussten daraufhin ihre Vergabepraxis ändern. Dabei gibt es durchaus die Möglichkeit eine gewünschte Personengruppe wie z.B. junge Familien mit Kindern, Ehrenamtlich engagierte, etc. vorrangig zu behandeln; aber eben ausdrücklich kein „Freiberg first“.
Leider kann sich die Freiberger FDP wohl auch nicht auf ihr Kompetenzteam verlassen, wenn schon ihre Gemeinderäte gerne mal im Nebel stochern. Im Sinne einer sachlichen und populismusfreien kommunalpolitischen Auseinandersetzung bietet der Ortsverband von Bündnis 90 /Die Grünen der Freiberger FDP gerne seine Unterstützung an, um den nächsten Patzer zu vermeiden.
Im Kommunalwahlprogramm der FDP von Baden-Württemberg findet man den Punkt „Umwelt und Energie“ auf Seite 10 gleich nach dem Punkt „Friedhofswesen“. Diese stiefmütterliche Behandlung des Themas ist eigentlich unangebracht, denn die Partei hat mit den Freiberger Gemeinderäten Carmen Dötterer und Dr. Thomas Baum zwei ausgemachte Klimaexperten aufzuweisen, wie man in den Freiberger Nachrichten vom 10. Januar 2019 lesen konnte. „CO2-Bilanz spricht für Autobahnüberdeckelung“ war da zu lesen. Wie durch einen Autobahndeckel auch nur ein Gramm CO2 eingespart werden soll, sagen die beiden nicht, und auch der keineswegs unerhebliche zusätzliche CO2-Ausstoß durch diese Baumaßnahme selbst (graue Energie) sowie deren Betrieb (z.B.: Beleuchtung, Ventilatoren, etc.) wurde unterschlagen. Dabei entfaltet das – zumindest in üblicher Konzentration – ungiftige CO2 seine klimaschädliche Wirkung in der Erdatmosphäre, so dass der Ort der Emission überhaupt keine Rolle spielt. Bei der ganzen Diskussion um Lärm, Feinstaub, NOx und CO2 kann man ja durchaus einmal durcheinander kommen.
Aber auch sonst ist die Logik der beiden virtuos. Statt Mobilitätswende wird die Autoregion Stuttgart beschworen, deren Erhalt uns erst wirtschaftlich in die Lage versetzt, genügend Steuergelder für „Umwelt und Naturschutz“ zur Verfügung zu haben.
Wie schön: Autofahren als Klimaschutz!
Autobahn überdeckeln um CO2 einzusparen!
Tatsächlich gibt es bezüglich Lärm, Luftqualität und städtischer Infrastruktur durchaus gute Gründe, die für eine Autobahnüberdeckelung sprechen. Und daber auch viele grüne Befürworter für dieses Projekt.
Auf das Argument oben aber.... können wir verzichten.